Das Projekt wurde von Boris Kostadinov für den Visible Award 2015 nominiert
Die ganze Welt in Zürich
Konkrete Interventionen in die Schweizer Migrationspolitik
Projektzeitraum: Oktober 2015 – Februar 2016
Eröffnung: Do, 22. Oktober 2015 mit Schiffsfahrt
Treffpunkt Steg Bürkliplatz: 19:00, Abfahrt: 19:30
Ankunft Hafen Wollishofen: 20:30, danach Party in der Shedhalle
Erstes Hafenforum: Sa, 24. Oktober, 10:00 - 18:00
Zweites Hafenforum zu Social Practice: Sa, 28. November 2015, 10 - 18 Uhr
Drittes Hafenforum: Sa, 6. Februar 2016, 10 - 18 Uhr
Projektwebsite: www.whole-world-in-zurich.net
Video: youtube
Das Projekt „Die ganze Welt in Zürich“ fragt nach rechtlicher, politischer, sozialer und kultureller Teilhabe und erforscht, wie das Konzept einer StadtbürgerInnenschaft für alle in Zürich lebenden Menschen konkretisiert und umgesetzt werden könnte.
Ein Viertel aller BewohnerInnen der Schweiz sind weitgehend von rechtlicher, sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Teilhabe an Stadt und Gesellschaft ausgeschlossen, weil sie keine Schweizer StaatsbürgerInnen sind. Das Projekt „Die ganze Welt in Zürich“ zielt darauf ab, konkrete Interventionen in die Migrationspolitik zu entwickeln, diese Vorschläge hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit in Zürich zu überprüfen und öffentlich vorzuschlagen. Zudem schafft es einen Ort, an dem über Sachzwänge hinaus, im Sinne einer sozialen Utopie gemeinsam nachgedacht, verhandelt und politisch agiert werden kann.
Das Projekt verortet sich in der Tradition sozial engagierter Kunst. Dafür hat die Shedhalle den Künstler Martin Krenn eingeladen, der das Projekt zusammen mit Katharina Morawek (kuratorische Leitung der Shedhalle) und einer transdiziplinären Arbeitsgruppe entwickelt und umsetzt.
Urban Citizenship
Das Projekt bezieht sich auf das Konzept der Urban Citizenship. Gemeint ist damit eine „Stadtbürgerschaft“ oder auch „Wohnbürgerschaft“.
Während der Begriff „StaatsbürgerInnenschaft“ fundamentale Rechte an die Grenzen eines Nationalstaats, an Mobilitätskontrolle und Sesshaftigkeit bindet, meint StadtbürgerInnenschaft die Anpassung politischer Instrumentarien an die vielfältige Normalität moderner (Gross-)Städte. In Konzepten um StadtbürgerInnenschaft wird demzufolge nicht Migration, sondern die ungleiche Verteilung sozialer Rechte und damit der ungleich verteilte Zugang zu Ressourcen als Problem adressiert.
siehe auch „Städte(n) statt Staaten“
Formate
Wesentlich für das Projekt ist sein experimenteller Charakter. Es versucht mit den Mitteln der Kunst die politische Machbarkeit eines konketen, umsetzbaren Vorschlags, wie eine StadtbürgerInnenschaft in Zürich aussehen könnte, auszuloten.
Zentral für das Projekt „Die ganze Welt in Zürich“ ist das Bild eines Hafens, das verschiedene Bilder evoziert: Mobilität, Globalität, Handeln und Aushandeln, Ankunft, vor Anker gehen, Vielfalt und Weltoffenheit. Teils ruft diese Metapher auch widersprüchliche oder problematische Bilder hervor, die das Projekt aufgreift und bearbeitet.
Während des gesamten Projektzeitraums werden insgesamt sieben so genannte Hafengespräche stattfinden. Die Hafengespräche stellen einen dialogisch-ästhetisch gestalteten Raum dar, an dem Mitglieder der Arbeitsgruppe sowie VertreterInnen von Interessensgruppen, EntscheidungsträgerInnen, StadtpolitikerInnen, MitarbeiterInnen öffentlicher Einrichtungen usw. teilnehmen. Die Hafengespräche selbst werden in der Shedhalle dezidiert unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, die Shedhalle fungiert so als ein geschützter Raum.
In drei öffentlichen Hafen-Foren, die jeweils 1 Tag dauern, werden lokale und internationale AkteurInnen aufeinandertreffen und Debatten führen, aber auch Erfahrungen austauschen und voneinander lernen. Der Anspruch, Debatten auf Augenhöhe zu ermöglichen, findet seine Entsprechung in einer bewusst dafür angelegten Ausstellungsarchitektur.
Das 1. Hafen-Forum zu Urban Citizenship wird am 24. Oktober 2015 (zwei Tage nach Projekt-Eröffnung) stattfinden und soll einen Einblick in aktuelle Debatten, Konflikte und Auseinandersetzungen bieten sowie konkrete Anknüpfungen an die Zürcher Gegebenheiten ermöglichen.
Die Ausstellung
Das Projekt wird von einer Ausstellung zur Geschichte und Praxis der socially engaged art in der Shedhalle begleitet. Die Ausstellung rahmt das Projekt und stellt den Zusammenhang zu ähnlichen, historischen und aktuellen Projekten her.
Einen weiteren Teil der Ausstellung bildet die Ausstellungsarchitektur, welche dialogische Gesprächsräume für die Hafengespräche, Hafenforen und Arbeitsgruppensitzungen schafft und die sich an der Hafenmetapher des Projekts orientieren.
AkteurInnen
Think Tank des Projekts ist eine interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppe.
Die Arbeitsgruppe setzt sich aus folgenden Mitgliedern zusammen:
- Martin Krenn (ausführender Künstler (www.martinkrenn.net)
- Katharina Morawek (Kuratorische Leitung/Geschäftsführung Shedhalle)
- Bah Sadou (Aktivist, „Autonome Schule Zürich“)
- Bea Schwager (Leiterin SPAZ, Anlaufstelle für Sans Papiers in Zürich)
- Dr. Kijan Malte Espahangizi (Geschäftsführer, Zentrum „Geschichte des Wissens“, ETH / Universität Zürich)
- Osman Osmani (Gewerkschaftssekretär für Migration, UNIA)
- Dr. Rohit Jain (Sozialanthropologe, Universität Zürich / Zürcher Hochschule der Künste)
- Tarek Naguib (Jurist, Zentrum für Sozialrecht / Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW)
In der Arbeitsgruppe kommen neben breitem Fachwissen heterogene Erfahrungen, Blickwinkel und Zugänge auf die Frage nach Urban Citizenship und Teilhabe in Zürich zusammen. Alle Mitglieder der Arbeitsgruppe haben vielfältige Projekterfahrung und sind mit rassismuskritischen, migrationspolitischen und kunstrelevanten Zusammenhängen vernetzt bzw. selbst Teil davon. Diese Netzwerke sollen nicht zuletzt für das Projekt nutzbar gemacht werden. Die Arbeitsgruppe trifft sich regelmäßig, um die strategische Ausrichtung des Projekts zu bestimmen, die Fragestellungen und Ausrichtungen der Hafengespräche sowie Hafenforen vorzubereiten.
Die Shedhalle versteht sich als "sicherer Hafen". In ihr entsteht ein künstlerisch gestalteter dialogischer Raum, der es ExpertInnen mit Rassismuserfahrung und Migrationshintergrund, EntscheidungsträgerInnen der Stadt Zürich, sowie Personen aus dem kulturellen Feld, ermöglicht, ihre festgeschriebenen Rollen abzulegen und abseits konventioneller Zwänge konkrete Vorschläge für eine Urban Citizenship in Zürich zu erarbeiten.
Das Projekt setzt sich zum Ziel, konkrete Modelle einer Zürcher StadtbürgerInnenschaft mit JuristInnen, PolitikerInnen und AktivistInnen auszuarbeiten, rechtlich, politisch und ethisch zu überprüfen und im Rahmen des 3. und letzten Hafenforums sowie einer anschließenden Pressekonferenz der Öffentlichkeit zur Umsetzung zu übergeben.
Neben dem konkreten Vorschlag will das Projekt „Die Ganze Welt in Zürich“ eine Debatte um Urban Citizenship in Zürich und der Schweiz anstoßen und nachhaltige Allianzenbildungen unterschiedlicher AkteurInnen quer durch die Stadt anregen. Durch den prozessualen und interdisziplinären Charakter, die Formate von Foren- und Gruppengesprächen, sowie die Zusammenarbeit unterschiedlichster AkteurInnen soll dieser Anspruch auch projektintern eingelöst werden.
Die Erfahrungen sozial engagierter Kunstprojekte (mit Focus auf die letzten 35 Jahre) werden in die Entwicklung und Ausführung des Projektes einfließen.
Mit Unterstützung des Österreichischen Kulturforum.