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Ausstellung

…THE OTHERS HAVE ARRIVED SAFELY.

Gedächtnisverlust und Geschichtspolitik: Künstlerische Strategien

12. Juni bis 20. September 2015

Ausstellungspause: 10. bis 31. August 2015

Eröffnung: 11. Juni 2015, 19:00

The exhibition “...THE OTHERS HAVE ARRIVED SAFELY” casts a glance at artistic strategies for dealing with the politics of borders and the construction of history.

Das Motiv der „Anderen“, die „sicher angekommen sind“ benennt in mehrfacher Weise den prekären Abschluss einer Reise: auf die Unsicherheit darüber, ob es überhaupt möglich ist, sicher anzukommen. Der Titel verweist aber auch auf Mechanismen nach denen sich entscheidet, welche Menschen oder Waren Grenzen überqueren, erlaubterweise oder nicht. Die Grenze selbst, so die These, organisiert Ein- und Ausschlüsse nicht nur geographisch, sondern auch in Bezug auf politische und soziale Rechte. So wirken sich Grenzen rückwirkend selbst nach Jahren und Jahrzehnten in den Lebensrealitäten aus.
Vor dem Hintergrund der geschichtspolitischen Debatten in der Schweiz im Jahr 2015 zeigt die Ausstellung künstlerische Arbeiten, die sich kritisch mit Erinnerungspolitik auseinandersetzen, insbesondere im Hinblick auf nationale Politiken, Grenz- und Einreisepolitiken. Sie reflektieren die ökonomischen, sozialen und technologischen Kräfteverhältnisse, die ein „Wissen“ um die Grenze und ihre Vermittlung in (Geschichts-)Bildern erst ermöglichen.
Dabei thematisieren sie Interessen und Konflikte, die Teil jeder Verhandlung um Geschichte sind, manche begeben sich aktiv in diese geschichtspolitischen Auseinandersetzungen.

Beteiligte: Artefakte//anti-humboldt (Brigitta Kuster, Regina Sarreiter, Dierk Schmidt) und AFROTAK TV cyberNomads (Adetoun und Michael Küppers-Adebisi), Mirkan Deniz, Charles Heller und Lorenzo Pezzani, Das Gedächtnis der Geflüchteten (Mirkan Deniz, Catalina Gutiérrez, Onur Karakoyun, Felipe Polanía), Sally Schonfeldt


Sally Schonfeldts Essayfilm „Plattenstrasse 10“ (2014) führt uns an einen Ort der kolonialen Vergangenheit Zürichs. Er zeigt eine ortspezifische Performance an einem jener Orte, an dem die ersten „Völkerschauen“, auch „menschliche Zoos“ genannt, in der Stadt stattfanden. Mithilfe eines archäologischen Zugangs und indem er Narration, Archivrecherche und kritische Reflexion über die Repräsentation von Geschichte verbindet, verweist der Film mit Dringlichkeit auf ein vernachlässigtes Trauma in der Schweizer Geschichte.

Eine Gruppe von in der Schweiz lebenden Künstler_innen mit Fluchterfahrung arbeitet im Rahmen eines Projekts der Shedhalle seit mehr als einem Jahr an einem Archiv zu Flucht, Asyl und Erinnerungspolitik in der Schweiz. Dabei hat sich die Gruppe „Das Gedächnis der Geflüchteten“ (Mirkan Deniz, Catalina Gutiérrez, Onur Karakoyun, Felipe Polanìa), sowohl mit menschlichen Geschichten wie auch mit politischen Ereignissen auseinandergesetzt. Daraus entwickelte die Gruppe ein Display, das Archivrecherchen über Asylpolitik und Flüchtlingspolitik der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs zeigt. Zudem entstanden in diesem Zusammenhang mehrere künstlerische Arbeiten zum Thema Flucht und Erinnerung.

2008 erhielt die Türkei ein Geschenk von der Schweiz: eine Delegation überbrachte den Tisch, auf dem 1923 der Vertrag von Lausanne unterzeichnet worden war. Bei den Friedensverhandlungen von Lausanne wurde über eine Neuordnung des Nahen Ostens verhandelt. Nach dem Ersten Weltkrieg war den Kurden zwar ein eigener Staat in Aussicht gestellt worden, doch in Lausanne wurden diese Hoffnungen zunichte gemacht: Der dort unterzeichnete Friedensvertrag legte eine Aufteilung Kurdistans auf die Türkei, den Irak, Iran und Syrien fest. Der Vertrag kam zudem einer Entrechtung von ArmenierInnen, KurdInnen und GeorgierInnen gleich. Der Tisch befand sich bis 2008 im Besitz der Lausanner Verwaltung und befindet sich nun im Kurtuluş Savaşı Müzesi (War of Independence Museum) in Ankara. Die Künstlerin Mirkan Deniz rekonstruierte diesen Tisch und lässt das Objekt als unbequemes Stück Geschichte die Gegenwart heimsuchen.

Die Rekonstruktion des so genannten „Stadtschlosses“ im Zentrum Berlins wird zu einer Tatsache aus Beton. Zerstört, abgerissen und zu DDR-Zeiten durch den Palast der Republik ersetzt, wird das Preußische Schloss nunmehr auf der Leerstelle, die der demontierte Volkspalast zurückgelassen hat, wiederaufgebaut. Das rekonstruierte Stadtschloss soll erneut die Vorstellungen von einem Deutschen Reich vermitteln und die ethnologischen Sammlungen der Stadt unter der Bezeichnung „Humboldt-Forum“ beherbergen.
Die Anti-Humboldt-Box lehnt sich an Marcel Duchamps „Boîte-en-valise“ (Schachtel im Koffer) an, der das Konzept einer „Ausstellung im Koffer“ zugrunde liegt. Artefakte//anti-humboldt und AFROTAK TV cyberNomads greifen diese Idee auf, um die Kritik am Berliner Humboldt-Forum an verschiedene Orte zu transportieren und mit der Zeit neue Elemente hinzuzufügen. Auf diese Weise funktioniert die Anti-Humboldt-Box als Manifest gegen die baulichen Entwicklungen und repräsentiert Argumente aus einer postkolonialen, afrikanisch-diasporischen und künstlerischen Perspektive, bezieht aber auch urbanistische Lesarten dieses reaktionären und bedenklichen Kulturprojekts mit ein. Die Anti-Humboldt-Box ist ein Projekt von Artefakte//anti-humboldt und AFROTAK TV cyberNomads in Kooperation mit Andreas Siekmann.

Der Film „Liquid Traces“ (2014) von Charles Heller und Lorenzo Pezzani rekonstruiert die Ereignisse rund um den als „left-to-die-boat“ bekannt gewordenen Fall eines Schiffs. Im Jahr 2011 (während des Kriegs in Lybien) verliessen 72 MigrantInnen in einem kleinen Gummiboot die libysche Küste in Richtung der Insel Lampedusa. Nachdem sie mehrere SOS-Signale gesendet hatten, wurden sie 14 Tage lang in NATO-überwachten Gewässern ohne Unterstützung dem Meer überlassen. Während dieser Zeit fanden mehrere Interaktionen statt, darunter Kontakt mit mindestens einem Helikopter sowie einem Militärschiff. 9 Menschen überlebten. Der Report über den „left to die boat“ Fall bildete die Basis für mehrere Klagen gegen die Staaten bzw. deren Armeen, die in die Militäroperationen verwickelt waren.