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Rechercheausstellung

DIE SCHWEIZ IST KEINE INSEL #2

Lauter Widerspruch

1. Juni 2013 – 21. Juli 2013

Eröffnung 31. Mai, 19:00

mit einer Lecture Performance von Saar Magal
(Videogestaltung und -schnitt: Benjamin Krieg)

Der zweite Teil des Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramms DIE SCHWEIZ IST KEINE INSEL nimmt unter dem Titel „#2 Lauter Widerspruch“ Bezug auf das Richard-Wagner-Jahr 2013 und seinen Zusammenhang mit Schweizer Geschichtspolitiken. Arbeiten von Tal Adler/Karin Schneider, des „Arbeitskreises zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus“, von Sasha Huber, Tina Leisch, Saar Magal und des „Café Temelín“ zeigen Strategien eines künstlerischen Umgangs mit „ambivalenten“ und „problematischen“ geschichtspolitischen Figuren, Orten und Erzählungen.

Das Bild der Schweiz als „neutrales Land“ und humanitäre Insel hat in den letzten Jahrzehnten Risse bekommen. Zwar ist die Schweiz kein NS-Nachfolgestaat, sie war aber mehrfach in das nationalsozialistische Regime involviert. In der Schweiz waren sowohl Widerständige aktiv, als auch Kollaborateur_innen und Profiteur_innen. Der heutige ökonomische Reichtum der Schweiz kann davon nicht getrennt werden. Antisemitische und rassistische Politiken in der Schweiz gehen weit in die Geschichte zurück. Zwischen 1933 und 1945 war die Schweiz war ein Land des Exils, aber auch ein Land, das seine Grenzen für jene, die „nur aus Rassegründen“ auf der Flucht waren, schloss, sie zurückwies und somit ihren Tod in Kauf nahm. Bis heute zeigen sich Kontinuitäten dieser Politiken gegenüber Jüd_innen, Roma und Flüchtlingen, während die Behauptung der Neutralität und des „Spezialfalls“ Schweiz weiterhin der Schutzschild gegen die Auseinandersetzung mit eigenen Involviertheiten bleibt.

Augenscheinlich wird diese problematische Haltung zur eigenen Geschichte im Umgang mit dem Antisemitismus Richard Wagners im Jubiläumsjahr 2013. Gerade die Figur Wagner bietet die Gelegenheit einer weit über ihn und sein Werk selbst reichende Auseinandersetzung: Er floh als Beteiligter an der bürgerlichen Revolution aus Dresden, fand in Zürich Asyl und arbeitete hier nicht nur an seinem musikalischen Schaffen weiter, sondern verfasste auch die antisemitische Schrift „Das Judenthum in der Musik“. Später wurde er zu einem (kultur-)politischen Stichwortgeber der Nazis. Wagner und sein Werk ernst zu nehmen bedeutet, keine feinsäuberliche Trennung seines musikalischen Schaffens von seinen politischen Haltungen und Handlungen vorzunehmen, keine Rechtfertigung des musikalischen „Genies“ zu betreiben, während sein Antisemitismus und seine Deutschtümelei als bestenfalls irritierende Fußnote behandelt werden. Wagner als politischen Künstler ernst zu nehmen bedeutet, die Logik seines Schaffens - mittels Kunst die Welt zu formen - genauer zu betrachten. Zuletzt bedeutet eine solche konsequente Auseinandersetzung (in der Schweiz) auch, sich mit historischen Formen von Antisemitismus und Rassismus auseinanderzusetzen und gegen deren aktuelle Formen aufzutreten und zu kämpfen.

Das Ausstellungsprojekt „#2 Lauter Widerspruch“ schlägt vor, Werk, Haltung und Rezeption als „schillernd“ oder „ambivalent“ bezeichneter Figuren in ihrem Gesamtzusammenhang ernst zu nehmen. Die in der Ausstellung gezeigten künstlerischen Arbeiten setzen einer apologetischen, verunklärenden Haltung Strategien der Klärung und Veränderung entgegen.

Die Choreographin Saar Magal eröffnet die Ausstellung mit einer Performance –Lecture ihres Stückes „Hacking Wagner“ in einer für die Shedhalle adaptierten Version. Dabei geht es um die Möglichkeiten, das Werk und die Rezeption Richard Wagners zu „hacken“, also die betreffenden Codes zu knacken, sie umzudefinieren und sich Wagner - auch aus der Position von Überlebenden des Holocaust und ihrer Nachkommen - neu anzueignen. Weiters wird nach der Aufführbarkeit Richard Wagners in Ländern, in denen der Nationalsozialismus und seine Folgen bis heute nachwirken - so auch in der Schweiz - gefragt.

Tal Adler/Karin Schneider blicken in zwei Arbeiten aus den Serien „Zersprengte Fragmente“ und „Leveled Landscapes“ auf Orte und Formen des Erinnerns, Vergessens und Verdeckens in der österreichischen „Landschaft“.

In Tina Leisch’s „riefenstahlremix“ erinnern sich die beiden Sintezza Anna Blach und Rosa Winter an die Zwangsarbeit in Helene Riefenstahls „Tiefland“. Sie wurden von der Nazi-Film-Ikone aus einem Konzentrationslager als unfreiwillige Statistinnen für den Film 
zwangsverpflichtet.

Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten von Sasha Huber und der zwei Kollektive „Café Temelín“ und „Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Wien“ zeigen Formen der künstlerischen Intervention an sehr konkreten Orten auf und sind daran interessiert, dort Handlungsspielräume zu erweitern.

Der „Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Wien“ lud zu einem offenen Wettbewerb, bei dem 225 Umgestaltungsvorschläge betreffend das Denkmal für einen antisemitischen Politiker, Karl Lueger (Wiener Bürgermeister 1897-1910) eingereicht wurden. In der Ausstellung werden ausgewählte Entwürfe, der Siegerentwurf sowie eine zusammenfassende Publikation gezeigt.

Sasha Huber dokumentiert ihre Umbenennung des nach einem Schweizer Vertreter des wissenschaftlichen Rassismus, Louis Agassiz, benannten Agassizhorns (Berner Alpen) in „Rentyhorn“. Renty war der Name jenes kongolesischen Sklaven, an dem Agassiz seine rassistische Beweisführung exerzierte und ihn dafür fotografieren ließ.

Das „Café Temelín“ zeigt filmische und fotografische Auszüge aus einer Tournee durch österreichische Grenz- und Bergregionen. Sie hatte zum Ziel, die Normalität revisionistischer Geschichtsschreibung und die Kontinuitäten nationalistischer und rechtsextremistischer Diskurse zu stören. 

Die Rechercheausstellung DIE SCHWEIZ IST KEINE INSEL versammelt künstlerische Arbeiten zu Schwerpunktthemen sowie Publikationen und Recherchematerialien in Form eines Handapparats. Die Ausstellung wird im Laufe des Jahres 2013 mit zusätzlichen thematischen Schwerpunkten erweitert. Die Literatursammlung zur Ausstellung wird laufend ergänzt, ist Grundlage weiterer Programmpunkte wie Workshops, Diskussionsveranstaltungen, Plakatkampagnen oder Aktionen/Interventionen und steht Besucher_innen zur Lektüre und als Recherchematerial zur Verfügung.

Swarovski Kristallwelten, Wattens, Tirol, 2012

76.0 x 110.0 cm, Pigment Inkjet Druck, aus der Serie “Leveled Landscapes”, © Tal Adler

Sylvie Fleurys Kunstwerk „YES TO ALL“, bedeckt mit tausenden von Swarovskis Glas Kristallen am Eingang des Komplex von Wattens. Hier, im Tempel der Täuschung, ersetzt Fantasie den Inhalt durch sinnliche Erfahrung und Swarovskis Nazi-Geschichte wird unter oberflächlichem Glanz verborgen.

Bezirksmuseum Ottakring, Wiens sechzehnter Bezirk, 2012

87.0 x 110.0 cm, Pigment Inkjet Druck, aus der Serie “Dispersed Fragments”, © Tal Adler

Das Museum ehrt Josef Weinheber mit einem rekonstruierten Zimmer des Nazi-Poeten, welcher bewundernde Gedichte für Hitler schrieb, ein unverblümter Antisemit war und am 8. April 1945, als die Rote Armee im Begriff war Wien einzunehmen, Selbstmord verübte.

Die Serie „Leveled Landscapes“ von Tal Adler verwendet das Genre der Landschaftsfotografie , um politische Praxen in Bezug auf Geschichte in Österreich zu untersuchen. Sie leistet damit auch einen Beitrag zur Geschichte des Darstellens und Begreifens von Landschaft. Verschiedene Landschaften in ganz Österreich werden durch eine Wasserwaage fotografiert. Die Geschichten dieser Orte und ihre verbliebenen, vergessenen oder rekonstruierten Erinnerungen werden einer kritischen Beobachtung unterzogen. Die Wasserwaage wird in der Fotografie gemeinhin verwendet, um eine „natürliche“ Wahrnehmung von Landschaft sicherzustellen. Üblicherweise ist sie in die fotografische Ausrüstung integriert, bleibt „backstage“ und unsichtbar im Bildergebnis. In dieser Serie wird die Wasserwaage vom Equipment gelöst und im Vordergrund inszeniert, wo sie auf den Prozess, der hinter der Herstellung von Narrativen liegt, anspielt.

„Dispersed Fragments“ von Tal Adler und Karin Schneider demonstriert die Art und Weise, wie Museen in Österreich – von kleinen lokalen Museen bis zu nationalen Institutionen – Geschichte zeigen und vermitteln. Eine Serie von Fotografien der Museumsdisplays, Rauminstallationen, Objekten und bildlichen Darstellungen wird mit Texten über die Forschungsergebnisse verbunden, welche auf Beobachtungen und Interviews mit Forscher_innen und Mitarbeiter_innen der Institutionen basieren.

Sowohl „Leleved Landscapes“ als auch „Dispersed Fragments“ wurden im Rahmen des künstlerischen Forschungsprojekts MemScreen produziert, das an der Akademie der bildenden Künste Wien 2011-2013 stattfand. Der Rechercheprozess, der die Produktion der künstlerischen Arbeiten begleitete, ist ein integraler Bestandteil der künstlerischen Praxis. Beim Ausstellen der Projekte wird das Recherchematerial in Form eines Archivs zugänglich gemacht, begleitend zu den Fotografien.

Sasha Huber

Rentyhorn - die Aktion

Fotografie: Siro Micheroli © Sasha Huber
Lambda print, 40x60 cm, 2008

Am 28. Mai 2007 wurde in der Schweiz und weltweit des 200. Geburtstags des Schweizer Naturforschers Louis Agassiz gedacht. Agassiz war jedoch nicht nur ein bedeutender Glaziologe, sondern auch ein bedeutender Rassist und ein Vordenker der Apartheid. Hans Fässler lancierte an diesem Tag die Kampagne „Démonter Louis Agassiz (1807-1873)“, mit welcher er vorschlägt, ihm „seinen Berg“ wegzunehmen (dé-mont-er Agassiz) und das von und nach Agassiz benannte Agassizhorn (3935 m ü.M.) an der Grenze Wallis/Bern in „Rentyhorn“ umzubenennen. Renty war ein Sklave aus dem Kongo, den Agassiz auf einer Sklavenplantage in South Carolina fotografieren liess, um „wissenschaftlich“ die Minderwertigkeit der „schwarzen Rasse“ nachzuweisen.

Huber ist Mitglied des transatlantischen Komitees „Démonter Louis Agassiz (1807-1873)“. Dies hat sie dazu bewegt, die Aktion „Rentyhorn“ zu planen und die Idee, das Agassizhorn umzubenennen, Realität werden zu lassen. Zusätzlich startete sie u.a. die Online Petition’s Website rentyhorn.ch. Rentyhorn nennt sie auch ihre Ausstellung welche das erste mal 2008 in Helsinki gezeigt wurde sowie ein Buch, das 2010 erschien. Zudem war sie Mitherausgeberin von „(T)races of Louis Agassiz: Photography, Body and Science, Yesterday and Today“ (2010) anlässlich der 29. São Paulo Biennale.

Tina Leisch

riefenstahlremix

Kurzfilm, 33 Min, A 2003

„Frau Leni Riefenstahl verpflichtet sich gegenüber Zäzilia Reinhardt, nicht mehr folgende Behauptung aufzustellen und/oder aufstellen zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen: ‚Frau Riefenstahl habe alle Zigeuner, die in dem Film Tiefland mitgewirkt haben, nach Kriegsende wiedergesehen und keinem einzigen sei etwas passiert.’“ Mit dieser Unterlassungserklärung reagierte Leni Riefenstahl Mitte August 2002 auf die Androhung einer Klage wegen Volksverhetzung. Schließlich ist seit langem bekannt, mit Dokumenten der Riefenstahl-Produktion und Todeslisten von Auschwitz auch belegt und bewiesen, dass ein großer Teil der Sinti und Roma, die sie sich als StatistInnen und NebendarstellerInnen aus den KZs Maxglan bei Salzburg und Marzahn in Berlin holte, nach Beendigung der Dreharbeiten in Konzentrations- und Vernichtungslagern umkam. Dass sie das trotzdem noch heute leugnet, so weit sie kann, zeugt nur einmal mehr davon, wie sehr das Leugnen jeglicher Schuld zum automatisiert eingeübten Reflex geworden ist. Während Riefenstahl bis zu ihrem Tod Tantiemen kassierte, wurden die Darsteller_innen nie entschädigt. In Tina Leisch’s „riefenstahlremix“ erinnern sich die beiden Sintezza Anna Blach und Rosa Winter an die Zwangsarbeit in Helene Riefenstahls „Tiefland“.

Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals
in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus

Projektdokumentation

A, 2009-2012
Für den Inhalt des Ausstellungsbeitrags verantwortlich: Jasmina Hirschl, Lilly Panholzer

Der „Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus“ lud zu einem offenen Wettbewerb, bei dem 225 Umgestaltungsvorschläge betreffend des Denkmals für einen antisemitischen Politiker, Karl Lueger (Wiener Bürgermeister 1897-1910), eingereicht wurden. In der Ausstellung werden einige Stationen des Projekts in Form von Auszügen aus Presse und der Projektwebsite (www.luegerplatz.com), der prämierte Entwurf sowie das „Handbuch zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals“ gezeigt.
„Mittlerweile herrscht breiter Konsens darüber, dass es problematisch ist, den antisemitischen Bürgermeister und Demagogen in Form eines so prominenten Denkmals weiterhin unkommentiert zu ehren. Wo Karl Lueger doch, nicht nur in Österreich, als „einer der maßgeblichen Erfinder des modernen, populistischen Antisemitismus“ bekannt ist, in Wien mit seinen „Hetzreden ein Klima der Verrohung“ zeugte, und von Adolf Hitler in „Mein Kampf“ als der gewaltigste deutsche Bürgermeister aller Zeiten bezeichnet wurde. Der Kulturwissenschafterin Aleida Assmann ist somit beizupflichten, wenn sie schreibt: „Wer die Errungenschaften von Luegers Person und seiner Regierungszeit retten will, muss sich heute explizit von diesem anderen Teil seines Erbes distanzieren, denn Schweigen bedeutet in diesem Fall nicht nur Duldung, sondern auch Anerkennung und Fortschreibung dieser gefährlichen Tradition.“

Antisemitischem und rassistischem Populismus muss auf allen Ebenen entkräftend begegnet werden. Denn: „Wir können Auschwitz nicht ohne all das denken, was – insbesondere hier in dieser Stadt – ein paar Jahrzehnte davor geschah; und deshalb können wir auch Lueger nicht mehr gedenken, ohne uns an Auschwitz zu erinnern.“ Der Historiker und Schriftsteller Doron Rabinovici hat in seiner Unterstützungserklärung des Open Call ein wichtiges Argument geliefert, das Lueger-Denkmal nicht länger, so wie es da steht, hinzunehmen. Und die Kunsthistorikerin Verena Krieger schließt inhaltlich daran an, wenn sie sagt: „Nach der Erfahrung des Nationalsozialismus ist es unerträglich geworden, dass einem aggressiven Antisemiten und erklärten Vorbild Hitlers unvermindert gehuldigt wird.“

Das Handbuch versteht sich als ein handlungsorientierter Beitrag zum Denk- und Mahnmaldiskurs. Die Publikation versammelt alle 225 eingereichten Entwürfe, zeigt den Projektverlauf und dokumentiert die Verhandlungen mit der Stadt Wien. Die eingereichten Umgestaltungsideen werden durch Beiträge von Gastautor_innen, Unterstützer_innenstatements, Auszüge aus dem Pressespiegel und einen Beitrag zum Personenkult um Karl Lueger kontextualisiert.“

Saar Magal

Hacking Wagner

Video, 2013

„Hacking Wagner“, das 2012 für die Bayerische Staatsoper entwickelt wurde, interagiert mit dem Wagner(iani)schen Monumentalism sowohl im deutschen als auch im israelischen Kontext – in Deutschland ist Wagner auffällig präsent, während er in Israel auffällig abwesend gemacht wird. Besetzung und Crew des Stücks waren Performer_innen und Künstler_innen aus Deutschland und Israel, von wo Wagner verbannt ist, seit die Nazis 1938 zur „Reichskristallnacht“ aufriefen.

Saar Magal dazu: „Die Beteiligten aus Cast und Crew setzten sich zum Ziel, das „hacken“ (den Code knacken) zu benutzen, um zu kulturell Aufständischen zu werden, sich abseits der althergebrachten Normen zu setzen. „Hacking Wagner“ ist ein Feld persönlicher Assoziationen, ein Strang des kollektiven Unbewussten in Bezug auf das Thema Wagner und die spezielle jüdisch-deutsche kulturelle Liebesgeschichte vor dem Krieg, vor dem Holocaust und bevor die Hölle ausbrach; eine dichte Angelegenheit von Liebe und Hass, die bis heute andauert.“

Café Temelín

Dokumentation des Denkmalsturms
vom so genannten „Heimatdenkmal“, Unterretzbach

Kurzfilm, A 2003

In Form einer einwöchigen Tour durch das nördliche Österreich gelangte das Café Temelín im Herbst 2003 zu einem ersten aktionistischen Höhepunkt. Während der „nie wieder heimat tour“ besuchte das Café eine Hand voll Ortschaften, um auf den Dorfplätzen ein Theater, diverse Spiele, antiheimatliches Merchandising, Texte und Kaffee & Kuchen anzubieten. Dabei wurde versucht zentrale - vom rechten Lager geprägte - Begrifflichkeiten der so genannten „Heimatvertriebenen“ zu brechen und mit verschobener Heimatikonographie dem Bodenständigen eine gewisse Unwucht beizubringen.

Entlang der nördlichen Grenze befinden sich in Österreich zahlreiche Denkmäler der sudetendeutschen Vertriebenenverbände. Sie beweisen nicht nur eine Unfähigkeit zur historischen Beschäftigung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus indem verschwiegen bleibt, wie enorm die völkische Politik zur Zerstörung der Tschechoslowakei und zur Verfolgung und Ermordung von so vielen Menschen geführt hat, darüber hinaus arbeiten die Denkmäler in ihrer Gestaltung teilweise mit den nazistischen Gaugrenzen von 1938 oder mit Bezeichnungen, Symbolen, Fahnen oder Farbgebungen, die alleine in der Zeit des Nationalsozialismus Gültigkeit besaßen. Letztlich zeigen die mitunter monumentalen Bauwerke wie die hegemoniale Erinnerungslandschaft in Österreich 70 Jahre nach der Niederschlagung des nationalsozialistischen Regimes immer noch beschaffen ist.

Diese Tatsachen wollten wir in der Aktion „Denkmalsturm“ angreifen. Bei der theatralen Performance erstürmt das „Café Temelín“ das Denkmal in Unterretzbach und hisst den Spruchbanner: „Heimatrecht is very schlecht“.

Granatspitzgruppe unweit der Sudetenhütte

Kurzfilm, A 2005

Musikvideo „Zurück zum Beton“, Granatspitzgruppe

Kurzfilm, A 2005

diverse Prints, A 2005

2 Polaroids, A 2005

Im schönen Frühherbst 2005 machte das Café Temelín einen Ausflug nach Hohenems in den äußersten Westen Österreichs. Während dieser „25-(twentyfive)-hüsle-tour“ hielt die Schnelle Eingreiftruppe (SET) des Cafés exemplarisch an historischen oder aktuellen Orten des österreichischen Rechtsextremismus. Neben alten Bekannten wie dem „Haus der Heimat“ (Zentrum der österreichischen Vertriebenenverbände) oder der Burschenschaft „Olympia“ thematisierte die Tour auch weniger prominente Täter_innen-Orte, Verlage oder Buchhandlungen.

Als medialen Höhepunkt erklomm die Tour-Crew in Wurfweite des Großglockners das Geröll der Granatspitzgruppe hin zur Sudetendeutschen Hütte. Eine Spontandemo, sowie ein Musikvideodreh folgten. Beide Interventionen im Hochgebirge suchten das Politische im Unpolitischen und spielten mit Klischees von Krawall bis Tracht und Goldhaube.

Dann kehrte das Café ins Tal heim, veranstaltete in Hohenems eine antiheimatliche Prozession und abschließend ein Zombiespektakel.

Ausgehend vom halb-dokumentarischen Material der Tour entstand im Herbst 2005 ein Roadmovie, in dem eine Handvoll der besuchten und anders bedachten 25 Stationen gezeigt werden.

Karin Schneider ist Kunstvermittlerin und Zeithistorikerin in Wien. Sie arbeitet seit vielen Jahren zu Geschichts- und Erinnerungspolitik in Österreich. Sie war in mehrere Forschungsprojekte involviert, die sich mit Theorie und Praxis von Museen sowie mit partizipativer Forschung beschäftigten. Derzeit arbeitet sie mit Tal Adler und anderen im künstlerischen Forschungsprojekt „Conserved Memories“ an der Akademie der bildenden Künste Wien. Karin ist für die Recherche und Vermittlung in den Projekten „Leveled Landscapes“ und „Dispersed Fragments“ zuständig.

Tal Adler ist Künstler und Fotograf, der mit sozialen und politischen Strukturen und den Machtverhältnissen und blinden Flecken, die sie reproduzieren, interagiert und in sie interveniert. Zu seinen Themen gehören Geschichts- und Erinnerungspolitik in Israel und Österreich; disempowering power relations and political culture in Israel; Politik und Macht in Mensch-Tier Beziehungen. In seiner vorangegangenen Ausstellung in der Shedhalle präsentierte er eine politische Partei und eine alternative Wahlkampagne, um auf die Domäne des Wahlkampfs in Israel 2003 Anspruch zu erheben.

Sasha Huber

Sasha Huber (geb. 1975, Zürich) ist bildende Künstlerin und lebt in Helsinki und Zürich. Sie arbeitet mit Video, Fotografie, Zeichnungen, Tackern, Intervention, Installation, Grafik Design und Publikationen. Sie ist schweizerischer und haitianischer Herkunft und fühlt sich der karibischen Diaspora verbunden. Ausgangspunkt ihrer Arbeit war die Erforschung ihrer Wurzeln und deren Einfluss auf die Entwicklung ihrer persönlichen und künstlerischen Identität. Die Reise nahm ihren Anfang als Reaktion auf die historische Ungerechtigkeit des Kolonialismus. Im voranschreitenden Prozess wurde ihre Arbeit aber immer mehr zu einer Suche nach Verstehen und einem interaktiven Dialog. Huber hat einen MA der Universität für Kunst und Design Helsinki. Hubers Arbeiten wurden in verschiedenen Institutionen in Einzel- sowie Gruppenausstellungen gezeigt: Center for Contemporary Art Tbilisi, Georgien (2013), Hasselblad Foundation, Project Space, Göteburg, Sweden (2012); Botkyrka Konsthall, Stockholm, Schweden (2011); SKMU Sørlandets Kunstmuseum, Kristiansand, Norwegen (2011); 29. São Paulo Biennale, Brasilien (2010); Kunsthalle Helsinki/Studio und Museum of Contemporary Art Kiasma, Helsinki, Finnland (2010) und Riga Art Space, Lettland (2009).

www.sashahuber.com

Tina Leisch

Tina Leisch ist Film-, Text- und Theaterarbeiterin und lebt in Wien. Mitbegründerin von kinoki, Volxtheater Favoriten und Verein Peršman. Gestaltet Theaterexperimente in gesellschaftlichen Konfliktzonen. (z.B. „Elf Seelen für einen Ochsen, Enajst duš za enega vola“ über das Massaker am Südkärntner Peršmanhof. „Date your destiny“ und „Medea bloß zum Trotz“ in Haftanstalten mit den Insass_innen. Erarbeitete mit einem Roma-Ensemble die mehrsprachigen Roma-Theaterstücke „Liebesforschung/Rodimos e kamlipeso /istrazivanje ljubavi“ und „Schneid deinen Ärmel ab und lauf davon! C(in c‘i baj taj naš!“. NESTROY-Preis für die Inszenierung von George Taboris „Mein Kampf“ mit Bewohnern des Männerwohnheims Meldemannstrasse. Lobende Erwähnung für die KInodoku „Gangster Girls“ beim Wiener Filmpreis. Im Mai 2013 stellte sie ihren Dokumentarfilm über den salvadorenischen Dichter und Revolutionär Roque Dalton, „Roque Dalton, erschießen wir die Nacht!“ fertig.

www.kinoki.at
www.persman.at
www.gangstergirls.at

Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals
in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus

Ruben Demus, Lukas Frankenberger, Jakob Glasner, Jasmina Hirschl, Veronika Kocher, Alexander Korab, Martin Krenn, Lilly Panholzer, Georg Wolf

Saar Magal

Saar Magal wurde 1976 in Tel Aviv geboren. Ihre jüngste Produktion ist das Performancestück „Hacking Wagner”, das von der Bayerischen Staatsoper in Auftrag gegeben und im Juli 2012 im Haus der Kunst in München uraufgeführt wurde. Sie brachte zahlreiche Tanzperformances zur Aufführung, z.B. „Furniture Showroom” im Laban Center London (1996), “Shin” im Suzanne Dellal Center in Tel Aviv (1997), „Telem” im Peridance New York (2000), „Adagietto” mit der Bat Dor Dance Company Tel Aviv (2001), „Phaedra 4.48” am ART Institute in Cambridge und am Mxat Theater in Moskau (2002), „Roaches” beim Curtain Up Festival in Tel Aviv (2006) und „Showdown” am Khan Theater Jerusalem (2008). Ihr Tanzfilm „Cell Fish” hatte 2005 am Lincoln Center in New York Premiere. Eines ihrer jüngsten Tanzstücke ist das gemeinsam mit ihrem Kollegen Jochen Roller produzierte und performte Duett „Basically I don´t but actually I do”, das 2009 am Kampnagel in Hamburg Premiere hatte und in den Sophiensaelen Berlin, der Muffathalle in München, dem Tmuna Theater in Tel Aviv, im Arts House in Melbourne und beim Auawirleben Festival in Bern aufgeführt wurde.

Café Temelín

„Café Temelín - nie wieder heimat“ entstand 2002 als Projekt zur Thematisierung der österreichischen Vertriebenenverbände im Kontext des historischen Revisionismus und der Debatte um das tschechische Kernkraftwerk Temelín. Diente die ökopatriotische Debatte um Temelín als Sprungbrett für die offen geschichtsrevisionistische und revanchistische Agitation gegen Tschechien und die so genannten „Beneš Dekrete“, so verwendete das Café Temelín ähnlich trickreich das Kraftwerk für die „Unterwanderung des normal-österreichischen Wahnsinns zwischen Kreuzstich und Beton mittels Kreuzstich und Beton“. Der Untertitel „nie wieder heimat“ bezog sich auf die Forderung der Vertriebenenverbände nach „Heimatrecht“, einer verklausulierten Art des Revanchismus.